AB - Die Andere Bibliothek 1987


Rudolf Borchardt: Der leidenschaftliche Gärtner
Lu Xun: Die große Mauer
Johann Georg von Hahn: Griechische Märchen
Emile Zola: Geld
Edward Gibbon: Verfall und Untergang des Römischen Reiches
Arthur Lehning: Unterhaltungen mit Bakunin
Nicolas Chamfort: Ein Wald voller Diebe
Isaak Babel: Erste Hilfe
Christian Enzensberger: Was ist was
Dezsö Kosztolányi: Anna
J.C.L. Haken: Lebensbeschreibung des Seefahrers Nettelbeck
Claude Lévi-Strauss: Die eifersüchtige Töpferin


Rudolf Borchardt: Der leidenschaftliche Gärtner

Greno 1987, AB 25, 383 S.

»Die Botschaft der Blume ist der Tod, die Botschaft der Blume ist das Leben, das Überleben, das Nachleben und Nachbleiben, das Wiederaufleben eines Lebens, das den Tod erfahren hat, den Tod nicht vergessen kann.«

Die düstere Folie, vor der dieses sprachprächtige Buch prangt, ist das Exil - zuerst das freiwillige, seit 1933 das erzwungene Exil eines deutschen Dichters aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, der sich selbst einen Patrioten nannte und Zuflucht in Mussolinis Italien suchte. In den verschiedenen Villen, die Rudolf Borchardt in Italien bewohnte, ist er selbst zum leidenschaftlichen Gärtner geworden. In einer von ihnen hat er 1938 sein großes Gartenbuch geschrieben, das zu seinen Lebzeiten nicht mehr erschienen ist.

Anita Albus hat in ihrem Garten im Norden Burgunds einige der Blumen, die Borchardt in seinem Buch und vor allem in dem abschließenden »Katalog der Verkannten, Neuen, Verlorenen, Seltenen, Eigenen« erwähnt, aufgezogen und porträtiert. Zwölf dieser Portäts sind diesem Band beigegeben.


Lu Xun: Die große Mauer

Greno 1987, AB 26, 447 S.

Lu Xun wurde 1881 geboren und starb 1936. Im republikanischen China galt er als Nestbeschmutzer und Verfassungsfeind; 1925 wurde er aus der Universität entfernt; in den Augen der Regierung Tschiang Kai-schek war er ein roter Maulwurf, obwohl er der Kommunistischen Partei niemals beigetreten ist. Aber auch der Linken war verdächtig, weil er von seiner Unabhängigkeit nicht lassen wollte. Sein Sarkasmus und seine Melancholie kannten keine Linientreue. Dazu kam, wenigstens in den Augen der literarischen Kritik, ein weiterer Fehler. Lu Xun zeigte nämlich keine Lust, ein »Hauptwerk« zu schreiben. Er verfaßte zahllose Essays, Erzählungen, Glossen, Gedichte. Manche seiner Meisterwerke sind nur ein paar Seiten lang. Mit diesem unübersichtlichen, vielfältigen, eigensinnigen Œuvre ist Lu Xun zum Bahnbrecher der modernen chinesichen Literatur und zu ihrem ersten (und vielleicht einzigen) Klassiker geworden.


Johann Georg von Hahn: Griechische Märchen

Greno 1987, AB 27, 447 S.


Emile Zola: Geld

Greno 1987, AB 28, 489 S.

Was Zolas Roman zum Reißer macht, zum Melodram, zum Breitwandfilm seiner Epoche, das ist die visionäre Kraft, der riesige Appetit, die grandiose Unbescheidenheit seines Autors, seine Fähigkeit, das Phantastische der Realität hervorzutreiben. Zolas Helden sind Süchtige. Das Kapital ihr Kokain.


Edward Gibbon: Verfall und Untergang des Römischen Reiches

Greno, 1987, AB 29, 610 S.

Die reichste, raffinierteste Zivilisation der Welt geht an ihrer eigenen Unzulänglichkeit zugrunde, die metropole versinkt im Chaos, die letzt Stunde des Imperiums hat geschlagen. Die europäische Phantasie kreist bis auf den heutigen Tag um diesen Geschichtsmythos. Ob es um den Untergang des Abendlandes geht oder um den allerletzten Science-Fiction-Film aus Hollywood - immer ist es die römische Geschichte, die als Modell und Folie dient.


Arthur Lehning: Unterhaltungen mit Bakunin

Greno 1987, AB 30, 453 S.

Ein Feuerkopf, ein Schreckgespenst, ein Scharlatan, ein Märtyrer, ein »magnetisches Herz«, ein »Gaukler«, ein Prophet – wer war dieser Bakunin? Wenn man alle Zeugen hört, Freund und Feind, neugierige Besucher und mächtige Rivalen, Skeptiker und Mitverschworene, dann entsteht ein vielfältiges Bild, zerissen von Widersprüchen und Dissonanzen, von Anbetung und Haß gezeichnet, verwirrender vielleicht, aber auch faszinierender als die ausgewogenste Biographie.

Unter den Zeugen finden sich viele Berühmtheiten des 19. Jahrhunderts - Turgenjew und Kropotkin, Marx und Engels, George Sand und Georg Herwegh, Proudhon und Michelet, Alexander Herzen und Richard Wagner, aber auch Journalisten und Polizeispitzel, Arbeiter und Terroristen der ersten Stunde, deren Namen kein Lexikon nennt.

Der Mann, der in jahrelanger Detektivarbeit die Quellen zu diesem Buch aufgespürt hat, ist selber eine legendäre Figur. Er hat am Spanischen Bürgerkrieg teilgenommen, ist Fellow des All Souls College, Oxford, überzeugter Anarchist, Herausgeber der monumentalen Archives Bakounine. Texte aus acht Sprachen werden hier, viele zum erstenmal, zugänglich gemacht.


Nicolas Chamfort: Ein Wald voller Diebe

Greno 1987, AB 31, 407 S.

»Es gibt kein elektrischeres Gehirn in der Welt. Ich gehe, um Chamforts Kopf zu frotieren und Funken daraus zu ziehen.« Das hat Mirabeau über einen der funkelndsten Köpfe seiner Zeit gesagt. In kurzen Szenen und Anekdoten, in zugespitzten Bemerkungen und gewitzten Charakterskizzen schreibt Nicolas Chamfort den Roman seiner Gesellschaft am Vorabend ihrer Umwälzung.


Isaak Babel: Erste Hilfe

Greno 1987, AB 32, 527 S.

»Jeden Tag stoßen sich Menschen gegenseitig ein Messer in den Leib, stoßen einander von den Brücken ind die Newa oder verbluten an unglücklichen oder Fehlgeburten. So war es. So ist es. Um die kleinen Leute, die das Pflaster der großen Stadt abtreten, zu retten, gibt es die Stationen der Schnellen Hilfe. Ja, so wird sie genannt - Schnelle oder Erste Hilfe... Um die Tätigkeit dieser Einrichtung zu registrieren, existiert ein besonderes Buch - das Buch der Absagen. Darin werden Fälle eingetragen, in denen keine Hilfe geleistet wurde. Ein dickes Buch, das wichtigste, das einzige Buch. Andere werden nicht gebraucht.«


Christian Enzensberger: Was ist was

Greno 1987, AB 33, 611 S.

Ein verwirrendes Schaukelspiel zwischen der großen und der kleinen Zeit. Was ist Was? Und wer da glaubt, mit dem Erzählen sei es vorbei, wird schnell eines Besseren belehrt: es muß nur die Handlung was taugen! Beide Seiten fangen an zu schimmern, sie zeigen und verweisen, geheimnisvoll oder lachhaft, aufeinander, als wollten sie einen Satz von Emile Chartier wahrmachen: Das Gedächtnis ist seiner natur nach ästhetisch: ein Gegenstand ist vor allem schön, wenn er an einen anderen erinnert.

»Das Werk, das durch die Gattungsbezeichnung Roman nur insofern charakterisiert ist, als es sich anders denn als literarisches Kunstwerk nicht ausgeben kann, ist so reich und innerhalb seines selbstgesteckten Rahmens auch so vollkommen, daß es viel mehr leistet als nur dem leidensgejammer ein für allemal den Garaus zu machen. Sieben jahre hat der Autor an einer großen Synthese gearbeitet, in der sich die Sprachkraft eines großartigen Stilisten mit den Blickwinklen psychoanalytischer, evolutionstheoretischer, soziologischer, ökonomischer und historischer Forschungen verbinden... Wer dieses Buch liest, verändert sich und bleibt doch der gleiche: Er kommt sich selbst näher.« Die Zeit


Dezsö Kosztolányi: Anna. Ein Dienstmädchenroman

Greno 1987, AB 34, 287 S.

Anna ist die Erfüllung eines alten bürgerlichen Traums: die vollkommene Perle, die ideale Dienstmagd, anspruchslos, fleißig, gefügig, treu wie Gold. Nach langen Jahren schlecht bezahlter Schinderei bringt sie eines nachts, »ohne jeden Grund«, auf bestialische Art und Weise ihre Herrschaft um.


J. C. L. Haken: Lebensbeschreibung des Seefahrers, Patrioten und Sklavenhändlers Joachim Nettelbeck

Greno 1987, AB 35, 387 S.

Das 18. jahrhundert tritt uns in diesem Buch in seiner ganzen Wildheit entgegen. Der ehrliche Nettelbeck hat sich aus einer endlosen Reihe von Schiffbrüchen retten müssen, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne; und seine lebenswelt, in der es von Plünderern, Betrügern, Meuterern und Kaperfahrern wimmelt, ist weit entfernt von der Vorstellung, die uns die »Klassiker« vermittelt haben.

»Nach mehr als hundert fünfzig Jahren hat das Buch nichts von seiner sprudelnden Frische, von seiner staunenswerten Kraft verloren... Was hat der Mann auch alles zu erzählen! Flucht als Elfjähriger nach Surinam, Schiffbruch vor Guinea, im Kattegat und anderswo. Überfälle von Korsaren, mit stockbetrunkenen Lotsen durch die Schären, meuterei, vorbeiziehende Geisterschiffe und vieles andere mehr, jede Seite bringt neue Überraschungen, neue ungeahnte Wendungen, zum Heile, aber auch zur Katastrophe... doche eines bleibt sich gleich durch alle 380 Seiten in all dem Unkalkulierbaren, und das gibt dem Buch seine ganz eigene ruhige Kraft und Tiefe. Es ist das Wesen dieses Mannes, das dieser scheinbar nicht zu bändigenden Vielfalt der hereinbrechenden Ereignisse einen inneren Zusammenhalt und eine stetige Richtung gibt.« F.A.Z.


Claude Lévi-Strauss: Die eifersüchtige Töpferin

Greno 1987, AB 36, 399 S.

Was ist von dem alten europäischen Volksglauben zu halten, demzufolge die Schneider als prahlerisch und furchtsam, die Schuster als Schlemmer und Possenreißer gelten? Warum ist die Töpferei die »Kunst der Eifersucht«, und was haben sie mit der Nachtschwalbe gemeinsam?

Ein intellektuelles Abenteuer, eine ebenso phantastische wie exakte Schnitzeljagd auf der Spur des »wilden Denkens«.


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© Ralf 2006