Ildefonso Falcones: Die Kathedrale des Meeres

Scherz (S Fischer) 2007, 656 S.
(OT La Catedral del Mar, 2006)
Aus dem Spanischen von Lisa Grüneisen

Die gotische Kirche "Santa Maria del Mar" wurde in den Jahren 1329-1384 im Stadtviertel La Ribera in Barcelona gebaut. Sie ist ein großartiges Beispiel katalanischer Gotik, in Rekordzeit erbaut unter den Baumeistern Berenger de Montagut und Ramón Despuig. Es sollte eine Kirche vom Volk für das Volk sein: die Reichen spendeten Geld, die Armen ihre Arbeitskraft, so daß alle Zünfte des Ribera-Viertels dazu beitrugen. Besonders die Lastenträger Barcelonas, die Bastaixos, taten sich besonders hervor, indem sie als ihr kostenloser Beitrag die Steine aus einem Steinbruch auf ihren Schultern mühsam herbeischafften.

Der Bau dieser Kirche ist zwar nicht die zentrale Geschichte, bildet aber die Kulisse und den roten Faden für das mittelalterliche Barcelona, eine aufstrebende und weltoffene Stadt, die im 14. Jahrhundert mehr und mehr aufblüht und zu einem Handelszentrum im Mittelmeer wird.

Erzählt wird das Leben und die Geschichte des Arnau Estanyol, der als armer Bauer und Leibeigener geboren wird und im Laufe seines Lebens zu einem reichen und angesehenen Bürger der Stadt wird.

Das Buch beginnt mit der Zeugung Arnaus: während der Hochzeit taucht Lorenç de Bellera auf, Herr von Navarcles und des frisch vermählten Ehepaars und fordert sein "Recht der ersten Nacht" (Ius primae noctis). So herzzerreißend und grausam, wie dies geschildert wird, ziehen sich dann viele Ereignisse und Geschichten bis zum Schluß durch das Buch. Die frische Ehe hat damit auch schon ihr Ende, denn Francesca bleibt von dem Ereignis traumatisiert. Arnau flieht mit seinem Vater in das aufstrebende Barcelona, wird von seinem Vater aufopfernd umsorgt und getröstet von seiner Liebe zur Jungfrau Maria, die für ihn die Mutter ersetzen soll. So findet er schnell Bezug zum Neubau der Kathedrale "Santa Maria del Mar", beginnt die Bastaixos zu bewundern, unterstützt die Männer, die auf ihrem Rücken die schweren Steine zur Kirche schleppen um dann selbst als 14jähriger erstmals in der Zunft zu arbeiten. Der erste Stein ist für den Jungen im Grunde nicht zu schaffen, aber Arnau bringt in der Szene übermenschliche Kräfte auf und schaffe es, mit der Riesenlast auf der Baustelle unter Jubel der Bevölkerung, anzukommen. Dies wird für ihn zu einem Schlüsselerlebnis – auch alle kommenden Schicksalsschläge, von denen es im Buch viele gibt, wird er schultern und meistern.

Arnau macht seinen Weg, irgendwann rettet er jüdischen Kindern vor dem aufgebrachten Pöbel das Leben. Aus Dankbarkeit unterstützt ihn der Vater der Kinder, Arnau wird zum angesehenen Geldwechsler, erlangt bald Wohlstand, Reichtum und wird angesehener Seekonsul, der Streifälle schlichten und Urteile sprechen konnte.

Dies ist natürlich nicht das Ende des Buches, sondern es gibt auch etliche Feinde. Neid, Mißgunst und Haß, Lügen und Intrigen bringen Arnau zu Fall und kosten ihn fast das Leben. Viele Wendungen sorgen für Spannung, Falcones bürdet seinem Protagonisten viele Schrecken auf, im Grunde mehr, als ein Leben ertragen kann, alle Klischees werden erfüllt und an Heldentaten spart er auch nicht. Alle Zutaten aus dem Mittelaler, die man einem solchen Buch beigeben kann, findet man auch vor: Armut, Hunger, Sklaven, Leibeigenschaft, Unterdrückung, Willkür, die Pest, Judenpogrome, Inquisition, Folter, schrecklichste Unterdrückung der Frauen usw.

Die Rollen sind dabei klar verteilt – Gut und Böse. Arnau ist stark, sieht gut aus, ist immer freundlich, gütig und gerecht, die Adligen sind böse und intrigant. Das war mir einzig doch etwas zuviel, dem Helden hätten ein paar Kanten oder Fehler gut gestanden. Figuren, die am Anfang auftauchen und man dann langsam vergißt, tauchen später erneut auf und spielen wichtige Rollen, ob nun helfend oder ob sie bestraft werden. Liebe gibt es in diesem Buch natürlich auch, in allen Spielarten. Für Arnau bleibt das große Glück zwar lange unerfüllt, aber das Thema zieht sich durch das ganze Buch.

Der Roman ist einfach gestrickt in seiner Schwarz-Weiß-Malerei, man sollte keinen  Tiefgang erwarten, aber dafür habe ich mich dank der vielen Handlung und Wendungen prächtig unterhalten. Es liest sich einfach und flüssig, bleibt immer spannend und man möchte wissen, wie es wohl weiter geht. Für mich war es der erste "Mittelalterroman" und unterhaltsames Kino für meinen Kopf...

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© Ralf 2008