Mo Hayder: Tokio

Goldmann 2005, 416 S.

Ein unaussprechliches Geheimnis treibt die englische Studentin Grey nach Tokio: Hier hofft sie, den Schlüssel zu einer Tragödie zu finden, über die sie vor Jahren gelesen hat und sie seit Jahren verfolgt: Ein Filmausschnitt, der Gräueltaten japanischer Soldaten im chinesischen Nanking 1937 zeigt, soll die Lösung des Rätsels enthalten.

Doch der Besitzer des Films, der chinesische Wissenschaftler Shi Chongming, weigert sich zunächst, ihr zu helfen. Um sich in der fremden Stadt über Wasser halten zu können, nimmt Grey einen Job als Hostess in einem exklusiven Nachtclub an, wo sie die Bekanntschaft eines rätselhaften Mannes macht: Junzo Fuyuki, alt, krank und an den Rollstuhl gefesselt, ist trotz seiner Gebrechlichkeit einer der mächtigsten Männer in Tokios Unterwelt. Sein Leben und seine geheimnisvolle Aura verdankt Fuyuki einem schwer bewachten Elixier - einem Elixier, für das andere jeden Preis bezahlen würden. Auch Chongming, der Grey bittet, es für ihn zu beschaffen. Grey ahnt nicht, daß die Geschichte dieses Elixiers eng mit ihrer eigenen Tragödie verknüft ist - und daß sich eine blutige Spur von Ereignissen in Nanking bis in die Gegenwart zieht...

Bis zur Hälfte des Buches hat es mich nicht sonderlich begeistert. Es wird schnell klar, daß Grey ein ungewöhnliches Mädchen ist, Außenseiterin und die wesentlichen Punkte ihrer Biographie kommen nur langsam zu Tage. Dagegen weiß man über Shi Chongming von Anfang an, daß er Grey von den Ereignissen in Nanking viel zu berichten hätte, da in den Roman seine Tagebuchaufzeichnungen aus jenen Tagen von 1937 eingestreut werden. Doch es bleibt bis zur letzten Seite rätselhaft, was ihn mit dem Unterweltboss Fuyuki verbindet.

Trotz der schrecklichen Ereignisse des Massakers blieb ich lange Zeit unberührt, was die Freude an dem Buch etwas trübte. Schwung kommt dann allerdings in die Geschichte, als Chongming und Grey dann doch zueinanderfinden und in der zweiten Hälfte kommt dann Spannung auf und Interesse an der Aufklärung.

Trotzdem hat es mir mal wieder gezeigt, daß mein persönliches Interesse an Krimis oder Thrillern nicht allzu groß ist: die Sprache ist mir in solchen Büchern oft zu banal, die tragende Handlung zu oft weg vom alltäglichen Leben, dann eben doch lieber wieder ein Buch über Menschen, die sich mit Liebe, Tod, Alter, Jugend oder mit Geschichte oder Gesellschaft beschäftigen, dem Leben eben...

© Ralf 2006