John Irving: Bis ich dich finde

Diogenes 2006, 1140 S.
(OT Until I find You, 2005)
Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren und Nikolaus Stingl

John Irving erzählt die Geschichte des Schauspielers Jack Burns. Seine Mutter, Alice, ist eine Tätowiererin aus Leith. Sein Vater, William Burns, ist ein junger Kirchenorganist aus Edinburgh und ein "Tintensüchtiger", dem nachgesagt wird, daß er sich so viele Tattoos stechen lassen wird, bis sein Körper ein einziges Notenblatt und jeder Quadratzentimeter beschrieben ist. Eine düstere Prophezeiung. Doch Alice läßt sich nicht beirren - der tintensüchtige Organist hat längst ihr Herz erobert.

Als Jack vier ist, begleitet er seine Mutter auf eine Reise durch verschiedene Ost- und Nordseehäfen: Kopenhagen, Stockholm, Helsinki, Amsterdam. Die beiden suchen Jacks Vater, der verschwunden ist. Aber Alice benimmt sich höchst rätselhaft, und der Vater bleibt unauffindbar.

Jack wird in Kanada und Neuengland erzogen, doch geprägt - und unauslöschlich gezeichnet - wird er durch seine Beziehung zu älteren Frauen. Erst als er längst kein kleiner Junge mehr ist und als Hollywoodstar in Transvetitenrollen Triumphe feiert, bricht Jack noch einmal - allein - nach Europa auf.

Ein Roman über Obsessionen und Freundschaften; über Verrat, Rache und Vergebung; über fehlende Väter und (zu) starke Mütter, über Kirchenorgeln, Ringen und Tattoos; über gestohlene Kindheit, trügerische Erinnerungen und über die Suche nach der einen Person, die unserem Leben endlich einen Sinn gibt.

Ich weiß mal wieder nicht, warum die Kritik so negativ auf das Buch reagiert hat. In den ersten Kapiteln Jacks Erinnerungen, wie er sie als Kind wahrgenommen und in seinen Erinnerungen abgespeichert hat. Und irgendwann dreht sich alles um und Jack geht als Erwachsener nochmal auf die Suche, durchläuft die Stationen erneut. Das fand ich nicht langweilig, sondern bot mir immer wieder Überraschungen, auch das Bild der Mutter wird auf den Kopf gestellt, dazwischen eine Unmenge unterschiedlichster Frauenfiguren.

Tragisches und komisches wechseln ab, Erinnerungen und Verdrängtes gewinnen neues Gewicht und werden umsortiert. Es sind 1100 Seiten, es mag manchem zu uferlos sein, aber ich habs in einem Rutsch runtergelesen und hab mich gut unterhalten.

© Ralf 2006