A. L. Kennedy: Day

Wagenbach, 2007, 348 S.
Aus dem Englischen von Ingo Herzke

Der Titel ist der Name von Alfred (Alfie) Day. Mit 15 zieht er freiwillig in den Krieg: er entscheidet sich, Heckschütze einer Bombercrew der Royal Air Force zu werden. Für ihn ist es eine Möglichkeit, seinem Zuhause und einem gewalttätigen Vater zu entkommen und eine neue "Familie" zu finden. Die Besatzung lernt sich kennen, sie fliegen ihre Einsätze über deutschen Städten und dies schweißt immer mehr zusammen, sie werden voneinander abhängig.

Dann erfolgt der Abschuß, Alfie ist der einzige Überlebende, kommt in Kriegsgefangenschaft, kehrt dann wieder für kurze Zeit nach London zurück und begibt sich nur 4 Jahre nach dem Krieg wieder nach Deutschland, um in einem Lager an einem Film mitzuwirken. Dies ruft nochmal alles in seiner Erinnerung wach, vieles, auch seine eigene Lagerzeit, kehrt zurück - aber ob dies für ihn heilsam sein kann?

Im Krieg hatte Alfie einen Sinn gefunden, er hatte eine Aufgabe, seine Mannschaft und den Lancaster-Bomber. Vor dem Krieg war er schwach, einem gewalttätigen Vater ausgeliefert, nun findet er zum ersten Mal Anerkennung, man möchte fast sagen, der Krieg beschert ihm Glücksmomente und nur im Verborgenen ab und an Zweifel. Dazwischen eingeflochten ist dann noch eine zart beginnende Liebesgeschichte zu Joyce, wenige Begegnungen mit ihr während des Krieges. Vor dem Krieg war er "klein", unsicher, ohne Ziel - nach dem Krieg ist er es wieder, nur um ein Trauma reicher. Im Frieden weiß er nun nichts mehr mit sich anzufangen, er hat alles verloren: seine Familie, seine Crew, seine Liebe - was bleibt ist ein Vakuum.

Das Buch schildet die Verwüstungen, die der Krieg in Alfred Day hinterlassen hat. Seine Seele hat schweren Schaden genommen und das ist auf jeder Seite des Romans spürbar. Kennedy vermittelt dies, indem sie viele Erzählhaltungen einnimmt: mal wird Alfie von außen wahrgenommen, dann spricht er wieder von sich selbst, dazwischen eingeflochten immer wieder kursive Passagen, die den Leser noch mehr in das Innere Alfies eindringen lassen. Der Akt des Lesens läßt sehr deutlich die schmerzhaften und auch stumpfen Gedanken spürbar werden. Es hat manchmal etwas gedauert und war mir nicht immer klar, wo ich mich gerade zeitlich oder auch örtlich befand. Man nimmt fast teil an einem "Wahn", so scheint es, der in Alfie tobt. Der Krieg findet eben hinterher seine Fortsetzung - in seinem Kopf.

Das macht das Lesen des Buches dann für mich auch anstrengend, die Gedanken scheinen unklar, das Buch zerissen, man spürt deutlich, wie der Krieg den Menschen zerstört hat; Verlorenheit, Einsamkeit, Nutz- und Trostlosigkeit fallen mir dazu ein. Vielleicht hat mir das Buch deshalb über lange Strecken keinen großen Spaß gemacht und ich habe erst ab der zweiten Hälfte in das Buch gefunden.
Das möchte ich aber nicht als Kritik verstanden wissen, es ist ein gutes Buch, denn vielleicht paßt es auch: Krieg ist schrecklich, wie kann man dann also ein "schönes" Buch darüber erwarten...

© Ralf 2007