Michael Köhlmeier: Idylle mit ertrinkendem Hund

Deuticke 2008, 109 S.

Das Buch beginnt mit einem Telefongespräch zwischen dem Schriftsteller, dem Ich-Erzähler und seinem Lektor, Dr. Beer. Mit diesem hat er sich nie über Privates unterhalten, immer nur über Literatur, er gilt in der Branche als überaus genau, sachlich, eher nüchtern und trocken, zumindest niemand, dem man näher kommt. Und plötzlich bietet Dr. Beer dem Schriftsteller das "Du" an, ja mehr sogar, er schlägt vor, für einige Tage zu ihm nach Hause zu kommen und im privaten Umfeld zu arbeiten, nicht im Verlag.

Dann werden in dieser Novelle nur einige wenige Szenen geschildert. Wie unerwartet führt sich dieser Lektor nun bei seiner Ankunft auf, als ihm der Wintergarten gezeigt wird. Später macht er einen Spaziergang und stößt auf einen großen, schwarzen Hund, der ihn einen langen Weg begleitet, mit dem er sich fast anfreundet. Dabei hat er doch eigentlich riesige Angst vor Hunden, deshalb muß er diese Geschichte im weiteren Verlauf auch mehrmals erzählen. In der Nacht dann ändert sich der Ton, der Autor begibt sich vor Schlaflosigkeit in die Küche, man erfährt vom Tod der Tochter, von Niedergeschlagenheit, vom quälenden Verlust. Er überlegt sich, wie er mit seinem Lektor darüber sprechen könnte, wie er das in Worte fassen könnte, wie darüber schreiben. Doch ein Gespräch wird nicht möglich.

Am nächsten Tag machen sie einen gemeinsamen Spaziergang, wieder sehen sie den Hund, der nun aber ins Eis einbricht und zu ertrinken droht. Der Lektor läuft davon, er möchte Hilfe holen, der Autor dagegen bleibt zurück und es wird wunderbar geschildert, wie er sich zu dem Hund robbt, versucht ihn zu retten und auch noch selbst einbricht. Tausend Gedanken gehen ihm durch den Kopf, wie den Hund retten, er gibt alles, den Tod zu besiegen. Der Lektor reist am nächsten Tag ab, er wird auch das Buch nicht mehr lektorieren, er bricht den weiteren Kontakt ab.

Wie spreche ich über den Tod meiner Tochter, wie literarisch damit umgehen? Wäre es Verrat an der Tochter, denn er möchte sie ja nicht einfach zu (einer) Geschichte werden lassen, er möchte sie weiterleben lassen. Für mich war schon nach Minuten eine sehr persönliche Atmosphäre vorhanden, da ein Ich-Erzähler spricht und der Lektor das "Du" eingeführt hat, was für diesen Menschen eigentliich undenkbar schien. Hinzu das Wissen, daß Köhlmeier tatsächlich drei Jahre zuvor seine Tochter Paula verloren hat, die bei einem Ausflug auf einem Berg tödlich verunglückt ist. Was in diesem Buch Autobiographie ist, was Fiktion, läßt sich nicht erschießen. Man erfährt vom Leid der zurückbleibenden Eltern, aber nicht, wie sie sich darüber austauschen. Es geht aber nicht um Verarbeitung des Todes der Tochter, sondern ist eine stille Suche nach einem Umgang mit der Katastrophe, wie darüber schreiben, darüber sprechen, aus der Sprachlosigkeit finden? Diese Novelle hat eine erste Annäherung an das Thema gefunden, ist ein erster Weg aus der Dunkelheit, bleibt dabei aber immer leicht...

© Ralf 2009