Daniela Krien: Die Liebe im Ernstfall

Diogenes 2019, 288 S.

Vor einigen Jahren las eine sehr enge Freundin das Debüt von Daniela Krien »Irgendwann werden wir uns alles erzählen« - für sie war das Buch wunderbar und sie erzählte begeistert davon. Seither wollte ich es auch lesen, aber es liegt noch immer auf dem Stapel. Die Neugier blieb, den Namen hatte ich nicht vergessen, deshalb ergriff ich nun die Chance, Daniela Krien kennenzulernen, allerdings mit dem neuen Buch von ihr »Liebe im Ernstfall«.

Der Verlag spricht von einem Roman, für mich sind es eher Erzählungen, die über einen dünnen Faden miteinander verknüpft sind. Das Buch handelt von fünf Frauen, deshalb gibt es fünf etwa 50-60seitige Kapitel, in denen je eine die Hauptrolle spielt und ab und an eine andere in einer winzigen Nebenrolle auftritt, die dann aber später ein eigenes Kapitel bekommt.

Es geht um das Beziehungs- und Liebesleben dieser Frauen, um deren Probleme mit den vielfältigen Wirrnissen, die im Leben möglich sind. Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde, ganz verschiedene Charaktere lernt man kennen, starke und schwache, mit oder ohne Kind, miteinander befreundet oder oder anderweitig verbunden, doch früher oder später scheitern ihre Beziehungen. Ich möchte gar nicht sagen, daß sie alle im Leben scheitern, manchmal ist es eine Achterbahn, manchmal gibt es Brüche, manchmal ist ein Neuanfang nötig. Dies zu beobachten, dabei zu sein, das bietet das Buch.

Jeder wird sich irgendwo identifizieren können, an anderer Stelle wird man sich denken, daß es so eben nicht gehen kann, der Bruch kommen muss, im einen Fall ists gut so, ein ander mal wird man traurig darüber sein. Damit ist das Buch auch gut zu lesen, es ist abwechslungsreich, immer wieder ein anderer Charakter, ein anderer Lebensentwurf, der Fall anders gelagert, aber doch immer nah dran am Leben, so könnte es sein in Partnerschaften, in Beziehungen, im Scheitern - man kann sich stets irgendwo wiederfinden oder vielleicht hat man von bestimmten Verletzungen über eigene Bekannte gehört, denen sie widerfahren sind.

Allerdings sind es ausnahmslos die Lebensmodelle der Frauen, deren Liebesleben, von dem man erfährt. Männer sind „Nebenfiguren“ - zumindest werden sie nicht ausgeleuchtet, keiner hat ein eigenes Kapitel.
Wie unterschiedlich man ein "Liebesleben" bewertet, bemerkt man im Buch gerade daran, daß jede Frau, jeder Charaktertyp ein eigens Kapitel hat, jede hat eigene Stärken, Schwächen, Emotionen. Tritt die eine mal als Freundin einer Frau auf, ist man ganz im Dasein dieser Frau des Kapitels, ihrer Probleme, vollzieht sie nach, diese Freundin agiert dann „nur drumrum“. Aber dann, wenn diese dann ihr eigenes Kapitel bekommt, sieht man erst, daß auch bei dieser nicht alles rund läuft, auf einer anderen Ebene auch das Scheitern kommt. Von außen also scheint bei so manchen Menschen das Leben zu funktionieren, aber eben nur von außen, man sieht nicht rein und erst beim genauen Blick, den man ja in der Regel (im Leben) nicht bekommt, offenbart sich der wirkliche Charakter oder die tatsächlichen Gefühle und Situationen.

Wie ich oben schon sagte, bei allen Frauen des Buches scheitert ihre Beziehung früher oder später (besser: endet, denn im Scheitern liegt eine Wertung, doch das Ende kann richtig sein - da spielen die Umstände eine Rolle). Das kann man zum Thema eines Buches machen, das kann eine persönliche Lebenserfahrung sein, daß das so ist, aber man darf im Hinterkopf behalten: es gibt auch Menschen, die andere Erfahrungen machen. Es gibt auch Beziehungen, die ein Leben lang halten, 30 Jahre und mehr, ohne "falsch" zu sein, ohne zu bequem für Trennung oder sonst was zu sein. Einfach weil es passt und gewollt ist, es gibt sie, die Liebe, die dauerhafte, aber sie ist selten und wertvoll. Allerdings gehört das hier nicht her, Liebe ist ein nie endendes Thema, bietet immer Stoff für Gespräch, ist vielfältig wie das Leben und die Menschen. Es gilt, was Daniela Krien sinngemäß sagt: "Ob es Liebe ist, erweist sich erst im Ernstfall".

Diese fünf geschilderten Frauenleben wirken auf ihre eigene Art authentisch, man bekommt durch das Buch eine Vielfalt an Lebenskonzepten, diverse Variationen, wie man es machen könnte (oder nicht), und dies ist durchaus kurzweilig und angenehm zu lesen. Der Stil ist einfach gehalten, mühelos liest sich das Buch, allerdings: es bleiben für jede Frau nur gut 50 Seiten. Dies mag genügen, man fühlt sich ein, fühlt mit und doch bevorzuge ich den Roman, gerne einige hundert Seiten, die auch nicht mühelos sein müssen, dann hab ich das Gefühl, daß das Lesen sehr viel tiefer geht, nachhaltiger ist, man ein Leben nicht nur kurz am Kaffeetisch erfahren, sondern lange begleitet hat. Trotzdem, das Buch habe ich sehr gerne gelesen.


© Ralf 2019