James Meek: Die einsamen Schrecken der Liebe

Droemer-Knaur 2005, 429 S.
(OT The People's Act of Love)
Aus dem Englischen von Malte Krutzsch und Karen Nölle-Fischer

James Meek schreibt einen Roman über ein abgelegenes sibirische Dorf im Jahr 1919. Der erste Weltkrieg ist zwar vorbei, aber die Wirren gehen weiter: Die Roten ringen mit den Weißen und in Jasyk ist eine tschechische Truppe übriggeblieben, die sich zwar nach Hause sehnt, was deren drogenabhängiger Kommandant Matula aber nicht zuläßt.

In Jasyk versammeln sich sehr unterschiedliche Menschen, die es aus den unterschiedlichsten Gründen dahin verschlagen hat. Anna Petrowna, die den Männern den Kopf verdreht, ist auf der Suche nach ihrer verlorenen Liebe und reiste ihrem Mann hinterher. Leutnant Mutz, der bei allem noch den Kopf behält und an die Vernunft glaubt. Außerdem Balaschow, ein ehemaliger stolzer Husar, der Mitglied einer religiösen Sekte im Ort geworden ist, nachdem ihn der Krieg zerstört hat und der entflohene Sträfling Samarin, der mit seinem Erscheinen letzlich den Verlauf der Geschichte bestimmt.

Meek erzählt im Stil des 19. Jahrhunderts und es geht um Bürgerkrieg, Terror und Gewalt, aber auch um die Suche nach Sinn, Leben und Liebe. Von jeder der Figuren erfährt man ihr Schicksal und so ist der Roman auch aufgebaut. Die Überschriften lauten in etwa "Samarin", "Anna" oder "Balaschow" und das hat mich bis zur Hälfte des Buches etwas gestört. Sicher, schön über die Figuren zu lesen, aber ich hätte gerne mehr von einer Entwicklung gelesen, vielleicht eine Hauptfigur, um die sich alles dreht, mir erschienen alle gleich bedeutend. Ich hab mich dabei zwar unterhalten, aber ich fragte mich auch, warum soll ich das lesen...

Mit dem Auftauchen Samarins in dem Ort nimmt das Buch dann Fahrt auf, mit Spannung verfolgt man seine Geschichte: man ist nun mittendrin, hat teilweise Sympathien aufgebaut: wird Anna über ihre tiefe Verletzung hinwegkommen, was wird aus Balaschow oder aus Mutz und der tschechischen Truppe, während Trotzkis Truppen im Anmarsch sind. Die einzelnen Fäden ergeben immer mehr ein Ganzes. Außerdem entwickelt sich Samarins Geschichte immer mehr zum Krimi.

Insgesamt habe ich es gerne gelesen, eine schön geschriebene Geschichte, die viel erzählt und mich gut unterhalten hat. Im Zentrum steht der Krieg und die russische Revolution, Fanatismus und Gewalt auf verschiedenen Seiten und die Zerissenheit der Romanfiguren, die alle Flüchtende, Suchende, Hoffende auf ein gutes Ende sind.

30.05.2006

© Ralf 2006