Hanns-Josef Ortheil: Die geheimen Stunden der Nacht

Luchterhand 2005, 382 S.

Als Georg von Heuken die Nachricht vom zweiten Herzinfarkt seines Vaters bekommt, beginnt für ihn ein neuer Abschnitt seines Lebens. Er ist der Sohn eines Gorßverlegers und Übervaters, der den Konzern immer mit starker Hand geführt hat. Während der Vater im Krankenhaus liegt, überdenkt er seine eigene familiäre Situation, überwiegend aber beschäftigt ihn die Frage, ob es ihm wohl gelingt, die Nachfolge des Vaters anzutreten. Auch sein Bruder und seine Schwester leiten Verlage, wobei sein Bruder ebensolche Ambitionen hat wie er selbst.

Angesiedelt ist der Verlegerroman in Köln und kreist um das Verlagsgeschäft, die Auseinandersetzung mit Lektoren, Agenten und Autoren. Eine wichtige Bewährungsprobe für ihn ist die Frage, ob er wohl den nächsten Roman des wichtigsten Schriftsteller des Verlags übernehmen könne, der sonst ausschließlich mit dem Vater verhandelt hat.

Der andere Handlungsstrang dreht sich um das verdeckte Leben des Vaters, das der Sohn neu entdeckt und zu ergründen sucht. Warum hatte er ein Zimmer im Domhotel, wen hat er getroffen, gab es Frauengeschichten? Und neben dem Kampf und die Verlagsleitung beginnt er sich zu verlieben.

Durch die Zeilen entwickeln sich durchaus Vergleiche mit dem Suhrkamp Verlag bzw. Unseld und vor allem wenn der Autor geschildert wird mit großem Hut und Schal drängt sich das Bild von Walser auf. Insgesamt bekommt man also etwas Einblick in das verlegerische Milieu, wenn es hier auch schillernd geschildert wird. Die sich anbahnende Liebesgeschichte mag mancher überflüssig halten, ich empfand sie als auflockernden Nebenstrang. Gerade auf den Seiten, wo von Heuken sein Interesse an der Frau entdeckt, sie sich in der Bar näherkommen und auf Zimmer gehen, habe ich gerne gelesen. Merkwürdig fand ich die ganze Zeit allerdings, wie der Sohn mehr und mehr in die Haut des Vaters schlüpft. Zuerst zieht er den väterlichen Bademantel über, trinkt irgendwann gerne denselben Champagner bis er schließlich sogar... Man lese selbst.

Insgesamt nett zu lesen und man gewinnt einen Blick in die Welt der Büchermacher, die Verlagswelt, auch wenn es klar ist, daß es sich um einen Roman handelt...

29.12.2005


© Ralf 2006