Hanser 2011, 218 S.
(OT Det er greit for meg, 1992)
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger
Dies ist nun das dritte Buch, das ich von Per Petterson lesen. Das, erste, ein ganz wundervolles Buch und nicht zu schlagen, war »Pferde stehlen« (2006), dann »Ich verfluche den Fluss der Zeit« (2009) und nun »Ist schon in Ordnung«. Und es ist wieder ein typischer Petterson, die Stimme klingt vertraut und er bleibt seinem Thema treu, die Beziehung zwischen Vater und Sohn, unter anderem, als wesentliches Thema jedoch eine Jugend in Norwegen in den 70er Jahren. Ein nachgeschobenes Werk, möchte man meinen, zuerst veröffentlicht 1992, doch ein starkes, sehr schönes Buch, es lohnt sich...
Auduns Sletten wächst nicht geade in einer Idylle auf. Sein Vater trinkt, verschwindet immer mal wieder und wenn er anwesend ist, zeigt er sadistische Züge und hat keine Hemmungen, Gewalt anzuwenden. Irgendwann verschwindet der Vater, die Mutter zieht in die Stadt und Audun kommt mit 13 in eine neue Schule. Damit beginnt der Roman. Er möchte gar nicht, daß seine Mutter ihn am ersten Schultag begleitet, er hat zunächst etwas einzelgängerisches, möchte bewußt Außenseiter sein, seine Sonnenbrille setzt er auch im Klassenzimmer nicht ab. Doch irgendwann trifft er auf Arvid und mit ihm entwickelt sich eine Jugendfreundschaft, mit dem er alle Themen, die einen Pubertierenden beschäftigen, besprechen kann. Da ist vor allem die Musik, sie diskutieren den Krieg in Vietnam und sie finden Zugang zur Literatur, lesen Bücher die Jungen eben toll finden, wie Jack London und sind begeistert.
Seine Familie ist ihm dagegen kein Ort der Sicherheit, die Mutter schlägt sich durch, trinkt gelegentlich, sein jüngerer Bruder kam bei einer Autofahrt ums Leben, seine ältere Schwester hat ein Kind von einem Mann, den sie nicht liebt, mit dem sie aber zusammenlebt. Er behält seine Gefühle, seine Verletzlichkeit lieber für sich, subtil spürt er auch seine Ängste, vor allem vor seinem Vater, der zwar nicht mit ihnen zusammenlebt, dessen Energien aber doch immer wieder zu spüren sind, sei es durch Erinnerungen, Erlebnisse oder daß er tatsächlich auch wieder mal bedrohlich körperlich auftaucht.
Das Buch erzählt immer wieder Episoden aus Auduns Leben, sei es sein Alltag als Jugendlicher, wenn er Zeitungen am frühen Morgen austrägt, ein andermal die Flucht vor der Familie, eigentlich nicht weit weg, doch für den Dreizehnjährigen, auf unbekanntem Terrain am Bahndamm entlang, eine aufregende Reise wie Huckleberry Finn, aus altem Karton ein Dach über dem Kopf bastelnd und seinen persönlichen Schutz findend. Auf seine Eltern ist kein Verlaß, Flucht findet er später in der Literatur, er will Schriftsteller werden, nicht in die Schule gehen, ins Leben gehen und darüber schreiben. Und so verläßt er voller Ideale und Hoffnungen vor dem Abschluß die Schule und beginnt ein Arbeiterleben in einer Druckerei. Einfach ist es nicht, er wird als Anfänger gemobbt, einfach ist es nicht, doch er bewährt sich. Diese Zeit ist im Buch ganz stark geschildert, die Arbeitsabläufe, die Maschienen, der Umgang unter den Arbeitern, wunderbar. Audun läßt sich von nichts unterkriegen, weder durch die harte Arbeit, noch wenn er zusammengeschlagen wird.
Audun kommt zwar aus zerütteten Familienverhältnissen, doch er nimmt sein Leben selbst in die Hand. Es ist nicht einfach, er hält sich über Wasser, schuftet, schlägt sich auch mal, wenn es sein muß, kämpft - er kann trotz allem glücklich sein, sein Leben, seinen Weg finden. Das Leben »Ist schon in Ordnung«. Trotz aller Widrigkeiten strahlen Per Pettersons Bücher nicht Depression oder Hoffnungslosigkeit aus, es wird auch nie sentimental. Das Leben wartet und will gelebt werden...
Und so endet das Buch mit dem Begräbnis des Vaters, der tot aufgefunden wird. Und endlich, am Grab, beginnt er hemmungslos zu weinen. Etwas ist gebrochen, kann nun heilen, er kann ins Leben durchstarten...
»...ich finde das plötzlich ungerecht und fange an zu weinen. Alle drehen sich um, aber ich kann nicht aufhören. Der Pfarrer sieht mich an und lächelt zufrieden, ich bin auf dem rechten Weg, er hat es gewußt. (...) Ich habe Krämpfe in der Brust, schluchze laut. Es ist furchtbar, ich verberge mein Gesicht in den Händen, damit ich Arvid nicht sehen muss, damit ich niemanden sehen muss. Das hätte Martin Eden nie getan, ich weiß, aber verdammt, ich bin erst achtzehn. Ich habe noch viel Zeit.«