Aleid Truijens: Normal war gestern

Nagel & Kimche 2005, 258 S.
OT: Geen nacht zonder (2004)
Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann

Kurz nach seinem vierten Geburtstag wird bei Tom Leukämie festgestellt. Nach dem ersten Schock verändert sich das Leben seiner Familie radikal. Es gibt nicht mehr das alltägliche Familienglück, sondern alles ist geprägt von Toms Krankheit, Krankenhausbesuchen, der Sorge um das Kind. Und doch stellt sich auch damit eine neue Routine ein, das Krankenhaus wird für einige Zeit ein zweites Zuhause, während das Leben drum rum unwichtig wird.

Sehr schnell stehen die Eltern und ihre beiden Kinder ziemlich allein: die Ärzte sind nicht in der Lage, die richtigen Worte zu finden, Freunde scheinen selbst nach Trost zu verlangen oder wechseln die Straßenseite. Hilflosigkeit auf allen Seiten. Hilfe kommt eher von denen, von denen man sie nicht erwartet hat und man teilt sein Leid, fühlt sich verstanden von anderen Eltern, die man auf der Kinderstation des Krankenhauses kennenlernt.

Toms Mutter beschreibt die Jahre der Krankheit, die gesunde Tochter kommt emotional zu kurz und fügt sich dem neuen Familienleben. Die Familie richtet sich in der Situation neu ein und doch hat sie Glück: am Ende ist der Sohn wieder "gesund".

Trotz des traurigen Themas hat mich das Buch nicht erreicht oder gerührt. Über Tom wird nur berichtet, für mich hat er kein Eigenleben entwickelt, seine Gefühle haben sich mir nicht erschlossen, sondern ich habe ihn nur als oberflächliche Figur erlebt, die das Geschehen bestimmt. Auch die berichtende Mutter bleibt mir merkwürdig fremd.

Vielleicht liegt es am nüchternen, distanzierten Ton, der auf Sentimentalitäten verzichtet. Es könnte aber sein, daß jemand, der selbst mit Krebs oder schwerer Krankheit Erfahrung hat, vieles wiederfindet und beim Lesen viel mehr reflektiert und dadurch dann erreicht wird. Ich war leider hinterher etwas enttäuscht und hatte das Gefühl, statt dessen auch einen Zeitungsbericht in der Wochenendbeilage zum Thema lesen zu können.

05.03.2006

© Ralf 2006