Tom Wolfe: Ich bin Charlotte Simmons

Blessing 2005, 794 S.
OT I Am Charlotte Simmons 2005
Aus dem Amerikanischen von Walter Ahlers

Tosender Applaus erfüllt den Saal, als Charlotte Simmons die Stufen zum Podium hochsteigt. Gerade wurde verkündet, daß sie als Erste aus ihrem 900-Seelen-Dorf in North Carolina ein Stipendium für die traditionsreiche Dupont University in Pennsylvania erhält. Charlotte ist überglücklich, endlich darf sie in das Paradies der Gelehrsamkeit ziehen. Doch kaum hat sie ihr Studium begonnen, wird ihr klar, was an diesem Olymp des Wissens wirklich zählt: schicke Klamotten, sich bis zur Besinnungslosigkeit besaufen und natürlich Sex. In ihrer Naivität hätte Charlotte das nie für möglich gehalten, denn sie - ganz die Tochter ihrer religiösen Mutter - ist selbstverständlich noch Jungfrau. Schon bald umwerben sie drei Männer: Jojo, einer der wenigen weißen Basketballspieler im Uni-Team; und Hoyt, der Cooolste der coolen "Fray-Boys"; und dann ist da noch Adam, ein verkopfter "Spak", der glaubt, einer der letzten Intellektuellen an diesem vom Stumpfsinn beherrschten Campus zu sein. Charlotte erwählt den Falschen - und braucht lange, um wie ein Phönix aus der Asche ihres Selbstverlusts aufzusteigen.

Trotz gelegentlicher Kritik in der Presse: ich habe das Buch sehr gerne gelesen. Es ist ein Campusroman und man blickt auf das Campusleben einer amerikanischen Eliteuniversität. Ich habe keine persönliche Erfahrung und kann nicht sagen, wie es dort tatsächlich zugeht. Der Roman scheint an vielen Stellen überzogen. Aber doch finde ich vieles im echten Leben - zumindest bei einigen Leuten, die mir so begegnen - wieder, was im Buch abgehandelt wird. Oberflächlichkeit, mangelnde Werte, Sex und Alkohol und für die Frauen sind ihre Klamotten das wichtigste. Aber ich finde es nicht tragisch in dem Alter, und nicht für alle bedeutet es die Welt.

Charlotte ist zuerst geschockt von dem Leben, das sie so nie gesehen hat und gezwungen, ihre bisherigen Vorstellungen vom Universitätsleben über Bord zu werfen. Sie verliert sich und findet sich am Ende doch wieder, mit neuem Selbstbewußtsein: sie hat den ersten Schritt ins Erwachsenenleben getan.

Ich habe mich dabei auf jeden Fall gut unterhalten.

© Ralf 2006